Reise durch das Reich der Riesen

25/03/2020

Als ich das erste Mal von der „Reise durch das Reich der Riesen“ hörte, dachte ich, dass es sich dabei wohl um ein Märchen aus einer längst vergangenen Zeit handeln muss. Auf jeden Fall machte mich die Überschrift der Pressemeldung neugierig. Beim näheren Hinschauen erkannte ich, dass es hier um Füße und Schuhe, genauer gesagt um ein Buch mit dem Titel „Für die größten Füße der Welt“ geht. Und damit um wahre Geschichten. Der Schuhhändler Georg Wessels hat sie aufgeschrieben bei seinen Reisen zu den größten Menschen der Welt. Wie sich der sympathische Westfale für die „Riesen mit den großen Füßen“ einsetzt, was er ihnen Gutes tut, und wie sich Glück anfühlt … irgendwie ist das dann doch ganz schön märchenhaft. Gerade in Zeiten wie diesen tut es richtig gut, seine Geschichten zu lesen. Nicht nur Schuh-Fans werden begeistert sein…

Aber von Anfang an. Wer ist eigentlich Georg Wessels? In der Branche ist der Schuhhändler wohl den meisten bekannt. Aus Vreden stammt er. Und genau dort hat er gemeinsam mit seinem Bruder und Orthopädieschuhmachermeister Peter den bereits 1745 gegründeten Familienbetrieb zu „Europas Übergrößenspezialisten Nummer 1“ entwickelt. Dabei hatte sich Georg Wessels anfangs gar nicht den Schuhen verschrieben. Gutes Geld verdiente er in den Siebzigern als der wohl jüngste Musik-Manager seiner Zeit. Familiäre Gründe brachten ihn schließlich doch ins Schuh-Business. Aber ein normales Schuhgeschäft wollte der findige Unternehmer auf keinen Fall. Nein, für ihn hießt das Zauberwort schon damals „Spezialisierung“. Und im Fall von Wessels: Übergrößen! Seit den 80er-Jahren versorgt die Schuhmanufaktur unzählige Menschen auf großem Fuß mit chicen, passenden Schuhen. Und zwar ausschließlich: Herrenschuhe gibt es bei Wessels ab Größe 47, Damenschuhe ab 42,5. Doch damit nicht genug. Ganz persönlich und von Herzen setzt sich Georg Wessels für krankhaft riesenwüchsige Menschen ein. Über 500 Paar Wessels-Maßschuhe bis sage und schreibe Größe 69 hat Georg Wessels in den letzten 40 Jahren seinen riesigen Schützlingen rund um den Globus übergeben. Meistens persönlich und immer kostenlos.

Sultan Kösen (der größte lebende Mensch weltweit) Ramazan Karageyik und Georg Wessels

Jetzt hat Georg Wessels sein Leben und Wirken aufgeschrieben. Ein tolles Buch, das berührt und nicht nur Schuh-Fans viel Freude bereiten dürfte. Auf 220 Seiten reisen wir mit Georg Wessels und seiner Co-Autorin Petra Alefeld (www.alefeldbiografien.com) von Vreden nach Venezuela, Myanmar, Südafrika, Tunesien und Russland, in die USA, die Türkei, die Ukraine und in den Schwarzwald. Wir erfahren hautnah, was der Schuhfachmann an den jeweiligen Orten mit seinen übergroßen Freunden erlebt hat. Entstanden sind zehn Etappen durch das Reich der Riesen mit skurrilen, anrührenden, witzigen und nachdenklich machenden Geschichten. Mit vielen großartigen Fotos! Was auffällt: das Schicksal der krankhaft Riesenwüchsigen ähnelt sich vielfach. „Sie sind Gefangene im eigenen Körper“, sagt Georg Wessels und berichtet, dass ihr ohnehin verkürztes Leben meist traurig und oft einsam endet. In der Öffentlichkeit fühlen sie sich zur Schau gestellt und werden dadurch oft ängstlich und menschenscheu. „Im Märchen machen einem Riesen Angst. Im echten Leben ist es umgekehrt.“ Georg Wessels begegnet seinen Schützlingen deshalb immer auf Augenhöhe. Bildlich gesprochen, denn bei einer Körpergröße jenseits der Zwei-Meter-Dreißig-Marke ist das nur möglich, wenn der Riese sitzt.

Alexander Sizonienko (Big Alex) und Georg Wessels

Das spannende Buch sollte 2020 das 275-jährige Wessels Jubiläum einläuten. Und eigentlich hätten in diesen Tagen viele fröhliche Jubiläums Events stattfinden sollen. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. „Nach überstandener Corona-Krise werden wir unsere Jubiläumsveranstaltungen und unseren Jubiläumsverkauf für Sie fortsetzen. Bitte haben Sie Verständnis und bleiben Sie uns treu!“ heißt es auf der Website www.wessels-schuhe.com . Na klar! Darauf freue ich mich jetzt schon.

In der Zwischenzeit nutzen wir die neu gewonnene Zeit doch einfach zur Lektüre. Es lohnt sich.