
Si, viaggiare… singt der italienische Liedermacher Lucio Battisti und spricht mir aus der Seele. Ja, das Reisen gehört in der Tat zu meinen großen Leidenschaften. Zum Glück komme ich ja beruflich viel rum, aber auch privat macht es mir immer wieder ungeheuren Spaß fremde Länder zu bereisen und andere Kulturen zu entdecken. Hatte ich an dieser Stelle eigentlich schon erwähnt, dass ich 2019 zum „Jahr der neuen Länder“ erklärt habe? Nach den Kap Verden (auch eine sehr interessante, vor allem sehr sonnige, windige und erholsame Erfahrung), sollte das zweite neue Land auf „meiner Liste“ Rumänien heißen. Genauer gesagt: Bukarest.
Warum gerade Bukarest? Diese Frage wurde mir im Vorfeld mehr als einmal gestellt. Zweifelsfrei gehört die Hauptstadt Rumäniens nicht zu den klassischen Hot Spots wie Paris, London oder Mailand. Aber gerade das macht ja den besonderen Reiz aus. Zumal ich die einzigartige Gelegenheit hatte, mit der Galeristin und Bukarest-Kennerin Petra Nostheide-Eÿcke in die südosteuropäische Metropole zu reisen. Und dort mit Einheimischen und Künstlern in Kontakt zu treten. Was könnte es Besseres geben?
Bukarest hat mich beeindruckt. Zugegeben, es ist keine Liebe auf den ersten Blick. Die Schönheiten schlummern im Verborgenen. Man muss genau hinsehen, entdeckt in den Nebenstraßen der großen Boulevards traumhafte (leider häufig sehr verfallene) Villen und Stadtpalais, in deren Gärten sich die Natur ihren Platz zurückerobert. Generell ist mir aufgefallen, wie grün Bukarest ist. Wunderschöne Parks laden zum Verweilen ein. Kleine Biergärten in begrünten Hinterhöfen sind die perfekten Orte um mit Freunden ein Bierchen zu trinken. Und der Bauernmarkt „Obor“, der größte und älteste Markt der Stadt, wird alle begeistern, die gern über traditionelle Märkte flanieren, auf denen es quasi alles gibt: von der Unterwäsche über Haushaltswaren bis zu Obst, Gemüse und Käse (letzterer hat es mir besonders angetan!)


Extra-Tipp:
Eine der schönsten Buchhandlungen der Welt ist vermutlich in Bukarest. Die im alten Zentrum der Stadt gelegene „Cărtureşti Carousel“ wird durch ihre fantastische Laden-Architektur zu einem wahren Wunderland der Bücher. Das Café im obersten Stockwerk lädt zwischen Lesepausen zum Verweilen ein.
Auch kulturell hat Bukarest so einiges zu bieten. Zu meinen Highlights gehört zweifellos das erste private Kunstmuseum „MARe“. Das im Oktober vergangenen Jahres eröffnete Museum für aktuelle Kunst ist auch architektonisch ein Highlight. Das durch und durch in düsterem Schwarz gehaltene Museum zeigt Kunstwerke, die die Widersprüche und Umbrüche der Gegenwart und der jüngsten Geschichte Rumäniens widerspiegeln. In diesem Zusammenhang darf der Name Nicolae Comanescu natürlich nicht unerwähnt bleiben. Nicolae Comanescu, vertreten von Petra Nostheide-Eycke, gehört zu den bekanntesten zeitgenössischen rumänischen Künstlern und ist einer der Gründer der rebellischen Künstlergruppe Rostopasca, die um die Jahrtausendwende in Bukarest entstand. Viele seiner Bilder, darunter auch sein Werk „Non-stop painting“, sind im MARe zu bewundern.
Dank Nicolae Comanescu und seiner zauberhaften Familie wurde Bukarest für mich nicht nur kulturell zu einem ganz besonderen Erlebnis. Echte Gastfreundschaft, die am letzten Abend mit einem fantastischen selbst gekochten, typisch rumänischen Essen ihren Höhepunkt fand, lassen mich gern an die erlebnisreichen Tage in Bukarest zurückdenken.

Auch das muss an dieser Stelle gesagt werden. Die Spuren des Kommunismus lassen sich in Bukarest nicht verleugnen. Und es erzeugt ein unglaubliches Schamgefühl, nein, schlimmer noch Wehmut, wenn man – ja, auch das gehört für mich nicht zuletzt aus zeitgeschichtlichem Interesse zu einer Bukarest-Reise – mit dem unglaublichen Protz und unvorstellbaren Reichtum eines Nicolae Ceaușescu in seiner einstigen Villa konfrontiert wird. Kaum vorstellbar, in welchem Luxus der ehemalige Präsident und seine Familie damals gelebt haben, während das Land in Armut dahin vegetierte. Wussten Sie eigentlich, dass Elena Ceaușescu mehr als 2000 Paar Schuhe ihr eigen nannte? Aber das nur am Rande.
Interview: 3 Fragen an….
Im Gartencafé des Museum MARe hatte ich die Gelegenheit, ein kleines Interview mit Petra Nostheide-Eÿcke, Galeristin aus Düsseldorf zu führen:

Petra Nostheide-Eÿcke
Warum lohnt es sich Bukarest zu besuchen? Was macht die Stadt so besonders?
Die Kontraste!
Zum Beispiel die vielfältige Architektur. Bukarest verfügt über herausragende Bauhaus-Architektur, fantastische Villen aus der Zeit, als Bukarest als das Paris des Ostens galt, beeindruckende Kirchen unterschiedlicher Strömungen und Epochen, sowie den brutalen Gigantismus des kommunistischen Rumäniens. Bukarest ist heute offen und grün – ein Ort, an dem Tradition mit modernem Leben verschmilzt. Zudem bietet die Stadt ein lebendiges Kunst- und Kulturleben. Einen Großteil meiner Faszination für die rumänische Hauptstadt macht wohl das Wesen der Rumänen aus. Ich habe sie während meiner Besuche als außergewöhnlich gastfreundliche und sehr liebenswürdige Menschen kennengelernt.
Kunst und Rumänien – eine spannende Konstellation. Welche Bukarester Museen sollten Kunstfreunde auf jeden Fall besuchen?
MARe. Museum für aktuelle Kunst.
Sehenswerte Kunst in einem untypischen Museumsbau, ein Highlight. Das 2018 eröffnete erste Privatmuseum leitet Generaldirektor Erwin Kessler. MNAC, Nationales Museum für zeitgenössische Kunst, eröffnet 2004 im ’Haus des Volkes’, dem ehemaligen Palastkomplex des Diktators Ceaușescu.
Zu Ihren Entdeckungen gehört einer der bekanntesten rumänischen Künstler: Nicolae Comanescu. Wie würden Sie seine Werke beschreiben?
Nicolae lernte ich 2012 während seines Stipendiums in Düsseldorf kennen. Ich sah seine Abschlussarbeit ´RHINE` in seinem Düsseldorfer Gastatelier, die mich auf Anhieb begeisterte. Seitdem arbeiten wir zusammen. Nicolae Comanescu, Mitgründer der rebellischen Künstlergruppe Rostopasca, ist ein Künstler, in dessen Werk wir tief gesäte Elemente finden, die hart und rau sind. Elemente die nicht aus Büchern oder literarischen Kreisen stammen, sondern aus dem Leben: seine Kunst ist eine Auseinandersetzung mit seiner Gesellschaft. Nicolae´s Werke begeistern auch mit leuchtenden Farbschlachten, jedoch folgt er nicht dem Markt, sondern Idealen wie Freiheit, Wahrheit und Verantwortung.