„Aus dem Adlernest hinaus in die Welt“ – so lautet der Titel eines ganz besonderen Buchs. Ganz besonders deshalb, weil das Buch von meiner brasilianischen Freundin Iramaia Kotschedoff geschrieben wurde. In ihrer Autobiographie erzählt sie von ihrem aufregenden Leben. Das Buch entführt uns in ein kleines Dorf im brasilianischen Bundesstaat Bahia, wo Iramaia als Tochter eines Ladenbesitzers behütet aufwuchs. Schon früh träumte sie von einer Zukunft in der „großen weiten Welt“. Ihren Traum hat sie wahr gemacht. In ihrer Biografie erzählt sie von so mancher Durststrecke, von Hindernissen und Herausforderungen, aber auch von vielen schönen Erlebnissen und besonderen Menschen, die sie auf ihrem Weg begleitet haben.
Auf den Schwingen des Adlers hinaus in die Welt. Ihr Traum wurde Wirklichkeit. Ihren Wohnsitz hat Iramaia seit vielen Jahren in Düsseldorf. Hier lebt sie mit ihrem Mann, den sie übrigens in Salvador da Bahia kennengelernt hat, gründete eine Familie und wurde zu einer erfolgreichen Unternehmerin im internationalen Messegeschäft. Heute gehört sie zum Führungsteam des Netzwerks „Grupo Mulheres do Brasil“. Ihr Lebensweg liest sich nicht nur sehr spannend. Er ist vor allem motivierend. Iramaias Lebensweg kann Frauen auf der ganzen Welt Mut machen, dass Träume mit dem richtigen Mindset und einem starken Netzwerk Realität werden können.
Anfang Juni hat Iramaia Kotschedoff ihr erstes Buch in der Buchhandlung Lesezeit in Düsseldorf-Kaiserswerth vorgestellt. Auch ich war zur Premiere eingeladen.
Natürlich habe ich das Treffen gleich genutzt, um mit der sympathischen Deutsch-Brasilianerin ein kleines Interview zu führen. Natürlich ging es dabei auch um Schuhe – schließlich haben wir uns über die Düsseldorfer Schuhmesse GDS (das waren noch Zeiten!) kennengelernt. Und sind gemeinsam nach Brasilien geflogen, um vor Ort die Schuhhersteller zu besuchen.
Liebe Iramaia, wir kennen uns aus der Schuhbranche. Wie bist du eigentlich zum Schuh gekommen?
Iramaia: Ich bin durch Zufall zum Schuh gekommen. Es war 1984 als Brasilien einen Gemeinschaftsstand auf der GDS hatte und ich war beauftragt, diesen Stand zu organisieren. Das heißt: Hostessen aussuchen, den Standbau betreuen und alles zu erledigen, was Aussteller auf Messen brauchen. Unsere Zusammenarbeit lief so gut, dass der Brasilianische Schuhverband und andere brasilianische Schuhmessen mich beauftragt haben, Marktrecherchen durchzuführen, Events außerhalb der Messezeit zu organisieren und vieles mehr. Später habe ich auch Journalisten nach Brasilien begleitet, um unsere Schuhmessen vor Ort zu besuchen und die Schuhregion in Rio Grande do Sul kennezulernen. In dieser Zeit habe ich tolle Freundschaften aufgebaut, was mir große Freude bereitet hat.
Was ist das Besondere an brasilianischen Schuhen?
Iramaia: Ich finde die brasilianischen Damenschuhe sehr feminin und graziös. Unsere Schuhe sind wie ein Schmuckstück für die Füße. Sie machen die Füße einer Frau zu einem sehr interessanten Teil der Figur – gewissermaßen zum besonderen Blickfang.
Deutschland – Brasilien: eine ganz besondere Verbindung. Wo siehst du Gemeinsamkeiten? Wo sind die größten Unterschiede?
Iramaia: Fangen wir mal mit den Gemeinsamkeiten an: beide sind fleißig. Die Zuverlässigkeit spielt eine wichtige Rolle und beide Länder streben nach einer besseren Welt: Frieden auf Erden – das wünschen wir uns alle.
Was die Unterschiede angeht, muss ich zuerst das Wetter erwähnen (lacht). Brasilianer sind sehr lösungsorientiert, Deutsche denken viel zu viel um eine Lösung zu finden. Bei irgendeinem Fehler werden die Deutschen lange nach den Gründen suchen und manchmal zu spät die Lösung finden. Deutsche sind sehr direkt und kommen sofort zum Punkt. Wir Brasilianer sind konfliktscheu, haben Probleme „Nein“ zu sagen. Wir nehmen alles immer sehr persönlich und sind extrem sensibel. Wir möchten gerne Nähe spüren und haben keine Angst vor Körperkontakt. Deutsche möchte normalerweise mehr auf Distanz gehen. Wir Brasilianer sind sehr spontan und flexibel, das vermisse ich hier manchmal. Das sind zumindest meine persönlichen Beobachtungen.
Was können die Deutschen von den Brasilianern lernen? Und umgekehrt?
Iramaia: Die Deutschen können z.B. etwas von der Leichtigkeit der Brasilianer übernehmen und die Brasilianer können folgendes von Deutschen lernen: Pünktlichkeit (gilt nicht in meinem Fall, ich war immer sehr pünktlich – das habe ich von mein Papa gelernt.) Zwischenbescheide sagen (das gibt bei uns überhaupt nicht). Und auch mal Nein zu sagen.
Liebe Iramaia, bitte vervollständige diesen Satz: ich liebe Düsseldorf, weil….
…. Düsseldorf eine Multikulti Stadt ist. Klein für brasilianische Verhältnisse, aber mit der Infrastruktur einer Großstadt. Düsseldorf hat ein sehr modernes Flair und ist gut über den ÖVPN vernetzt (ich fahre ungerne Auto). Düsseldorf ist offen und freundlich. Die Stadt hat ein tolles kulturelles Angebot.
Und zum Schluss noch eine Frage zu deiner Aufgabe als Präsidentin der Grupo Mulheres do Brasil – was machst du da genau?
Iramaia: Grupo Mulheres do Brasil wurde in Oktober 2013 in Brasilien gegründet.Luiza Helena Trajano, eine erfolgreiche Geschäftsfrau mit 40 andere Frauen von diversen Branchen und auch von Comunidades (das ist der neue Begriff für Favelas). Sie waren damals bei unserer Präsidentin und wollten für mehr Rechte für Bildung und Gesundheit für unsere Leute kämpfen. Im Warteraum hat Luiza gesagt: Hör mal, wir sind starke Frauen, wir können zusammen was bewegen.
Brasilien gehört uns allen und zusammen sind wir stark. Von 40 Frauen damals sind wir heute 106.000 Frauen überall auf der Welt.
Ich habe in 2018 die Grupo nach Deutschland gebracht und heute gibt es in Frankfurt, München, Stuttgart, Wolfsburg und Berlin dieses Netzwerk. In Düsseldorf haben wir 2020 unser Verein gegründet: Grupo Mulheres do Brasil e.V. Unser Ziel hier ist, Brasilianerinnen zu helfen sich besser zu integrieren. Die Sprache zu erlernen oder zu verbessern. Die Stadt besser kennen zu lernen. Frauen im Berufsleben Orientierung zu geben. Wir haben mit der Diakonie eine gute Partnerschaft. Am Anfang der Corona-Pandemie haben wir 1.200 Stoffmasken genäht. Außerdem haben wir einen Raum in Welcome Point 2, wo wir uns Samstag treffen, um vieles zu lernen, zum Beispiel über Social Media, Handarbeit, Sprachübungen und vieles andere mehr.
Mein Buchtipp:
Aus dem Adlernest hinaus in die Welt
Lebensstationen einer Brasilianerin
Von Iramaia Kotschedoff. Mit literarischer Unterstützung von Claudia Canto.
Anfragen und Kontakt: ims@iramaia.de