NACHGEFRAGT
Am 28. und 29. Juni findet in Pirmasens die turnusmäßige cads Mitgliederversammlung statt. Viele Programmpunkte haben das Thema Nachhaltigkeit mit seinen unterschiedlichen Facetten im Fokus.
Dr. Kerstin Schulte und Dr. Claudia Schulz im Interview
Frau Dr. Schulte, welche Rolle spielt dabei die Stadt Pirmasens?
Und insbesondere die Institute PFI und ISC?
Als traditionelle Schuhstadt möchte Pirmasens den Nachhaltigkeitsprozess in der Schuhherstellung begleiten und, wenn machbar, auch aktiv unterstützen.
Allein schon die Lage von Pirmasens auf sieben Hügeln, umschlossen vom Pfälzer Wald und den Nordvogesen verpflichtet zu Natur- und Umweltbewusstsein.
Das PFI ist das führende Schuhinstitut in Deutschland. Und darüber hinaus. Nahezu alle Abteilungen beschäftigen sich mit Nachhaltigkeitsthemen. Unser Schulungszentrum ISC bietet mehrere Kurse zu dem Thema an.
Nachhaltigkeit ist ein Riesenthema für die Schuh- und Lederbranche. Nachhaltige Textilien und Schuhe sind Gegenstand des EU Green Deals. Wie ist der aktuelle Stand?
Hier herrscht leider immer noch große Unsicherheit. Die EU veröffentlicht nahezu wöchentlich Gesetzesentwürfe oder Strategiepläne. Da viele der EU-Aktivitäten aufeinander aufbauen, ist es selbst für unsere Fachleute nicht immer leicht den Überblick zu behalten. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das in Deutschland schon seit Anfang des Jahres für einige Unternehmen gilt, wird auf EU-Ebene wahrscheinlich noch weiter verschärft werden. Womit wir weiter rechnen müssen ist, dass es in absehbarer Zeit eine Ökodesign-Verordnung, einen digitalen Produktpass und eine Verordnung zur Verbrauchersicherheit hinsichtlich Green Washing geben wird.
Was sind aus Ihrer Sicht die Mindestanforderungen bei Schuhen und Taschen?
Hier muss man sehen, was überhaupt umsetzbar ist. Wenn es kaum nachhaltige Materialien am Markt gibt, muss man zunächst an anderen Stellschrauben drehen. So können die Hersteller darauf achten, dass keine schädlichen Substanzen verwendet werden, die Materialien gegebenenfalls regional bezogen werden (Stichwort: kurze Lieferwege), die Energiegewinnung weitestgehend auf Erneuerbare umgestellt wird und sich um Recyclingmöglichkeiten bemühen.
Sie persönlich sind auch bei cads engagiert. Welcher Arbeitsgruppe stehen Sie vor? Was macht diese genau?
Das PFI betreut die cads AG C Chemikalien, die federführend von der chemischen Abteilung betreut wird. In dieser AG sind zwei Gruppen aktiv: die sogenannte RSL Gruppe, die sich um die jährlich erscheinende cads RSL kümmert. Hier wird in mehreren Meetings besprochen, welche Substanzen in die RSL aufgenommen werden und welchen Grenzwert wir speziell für cads festlegen.
In der zweiten Gruppe werden die cads Testmethoden festgelegt und auch Ringversuche mit anderen Laboren durchgeführt, um geeignete Testverfahren zu entwickeln. Für beide Gruppen sind Dr. Ines Anderie, Dr. Christian Achtel und Oliver Haubrich die direkten Ansprechpersonen.
Wie und wo können PFI und ISC die Unternehmen der Branche auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit unterstützen?
Wie bereits zuvor erwähnt, halten wir die Branche mit Infos zu gesetzlichen Änderungen auf dem aktuellen Stand. Darüber hinaus bietet das ISC interessante Schulungen, wie den IHK zertifizierten Nachhaltigkeitsmanager und den Produktmanager, sowie einen Kurs bei dem man aktiv einen CO2 Fußabdruck herleitet, an. Die PFI Forschungsabteilungen bearbeiten Projekte zum Thema Recycling oder biobasierte Materialien. Zudem stehen unsere Fachleute im ISC auch für Projekte zur Verfügung um z.B. ein ökologischen Design an Schuhen zu entwickeln und dies auf Gebrauchstauglichkeit zu überprüfen.
Welche Siegel verleiht das PFI?
Wenn ich mich jetzt nur auf die Nachhaltigkeitssiegel beschränke, dann wäre hier das PFI ECO Label zu nennen. Hier werden mit einem Auditkatalog die ökologischen Grundlagen des Unternehmens abgefragt und im Audit dann auf spezielle Fragen eingegangen. Das PFI ECO Label wird derzeit gerade überarbeitet, die Themen Lieferkettengesetz, Digitaler Produktpass oder Greenwashing werden an die gesetzlichen Anforderungen angepasst. Wir bieten außerdem auch ein PFI Label für schadstoffgeprüfte Artikel an; hier kann zusätzlich zu den Schadstoffen auch die Qualität überprüft werden. Das PFI testet darüber hinaus bereits seit Jahren für öffentliche Nachhaltigkeitssiegel wie der Blaue Engel oder der Österreichische Umweltzeichen.
Es gibt noch eine Neuigkeit! Ab diesen Monat übernehmen Sie den Vorsitz des VGCT. Herzlichen Glückwunsch! Was sind Ihre Pläne?
Es ist für mich eine große Ehre, dass der Verein für Gerberei-Chemie und -Technik eine Vorsitzende gewählt hat, die zwar viel mit dem Produkt Leder Berührungen hat, aber dennoch nicht direkt in der Lederherstellung involviert ist. Deshalb ist mein Anliegen, die beiden Bereiche Anwendung (speziell Schuhherstellung) und Herstellung (Leder) wieder näher zu bringen. Denkbar wären beispielsweise gemeinsame Veranstaltungen.